Ach, altes Haus
Einst mäanderte der Weg aus glitzernder weißer Kieselpracht zu deinen Füßen in sanften Wogen durch die Grünanlage zum eisernen Portal.
Zur Woche nur sanft knirschend unter den Füßen deiner Bewohner. Am Sonntag jedoch brodelnd unter den nervösen Hufen der Pferde, aufgepeitscht von den Fanfaren der Hörner, die zur Hatz aufriefen.
Die Hunde jagten voraus durch das prächtige Tor aus kalter schwarzer Schwere.
Nunmehr ist es gramgebeugt und eingehüllt in Feuchtes Fäule.
Im Schmutze liegend, sein brüchiges Wappen, niedergestürzt aus erhabener Höhe.
Aus üppigen Beeten am Wegesrand wurde sperriges Gestrüpp, nach allem gierig greifend, dass sich dir nähert.
Dort liegst du nun vor mir in gebrechlicher Ruhe und hast lange niemanden mehr beherbergt.
Deine allerletzte Wärme ausgehaucht, nachdem deine Menschen dich verlassen hatten.
Auf deinen steinernen Quadern steigt sie grün auf, die bleierne Zeit aus Nässe und Moos. Kriecht langsam hoch und folgt dem ungestüm vorauseilenden Efeu, dass sich bereits schlängelnd Zutritt verschuf durch leere Augenhöhlen in deinen zerfallenden Leichnam.
Schwester Trauerbuche hat sich über Dekaden hinweg viel Raum genommen, dich fest umschlungen und ihre schweren Arme auf dein Rückgrat gelegt.
Es am Ende gebrochen.
Dein geknickter First warf seine schmucken Schindeln in dein Inneres, so als äßest du in deiner verzweifelten Einsamkeit von dir selbst.
Nagtest dich ab bis auf das morsche Skelett deines Hauptes.
Die Lider deiner einst freundlich leuchtenden Augen hängen traurig am letzten Scharnier, das noch tapfer hält.
Deine Fenster haben viele Menschen kommen und gehen sehen, sowohl Gute als auch Schlechte.
Manche pflegten dich redlich und schenkten dir gute Jahrzehnte in jener freundlichen Symbiose, für die du geschaffen wurdest.
Die Kinder tollten herum und versteckten sich in deinen Ecken und Nischen.
Die Erwachsenen feierten rauschende Feste und schätzten deine Behaglichkeit.
Die Töchter und Söhne wuchsen heran und gingen fort.
Die Alten starben friedlich in deiner warmen Obhut.
Doch die neuen Bewohner misshandelten dich, bis du verletzt warst, voller unheilbarer Wunden.
Sie weideten dich aus und zwangen dich deine eigenen Innereien zu verbrennen.
Sie zu ihrer Wärme zu machen, während dir immer kälter wurde.
Irgendwann überließen sie dich deinem Schicksal und der zerstörerischen Kraft der Jahre, die dich geduldig niederrangen, wie das stetig heranrollende Meer den Küstenfels.
Eines folgte dem Anderen, wellengleich und erbarmungslos, bis du zerrieben warst.
Nun stehe ich hier vor dir und möchte auf deinem Platz etwas Neues erschaffen.
Und während ich dich anschaue und du mir deine Geschichte zuflüsterst, fällt mir eine Träne aus dem Augenwinkel angesichts der leidvollen Schönheit deiner Ruine.
Du wirst fort sein, doch zuvor weine ich um dich, altes Haus und werde dich nie vergessen!